“Das kann doch nicht Dein Ernst sein!” Da kannte mich meine Liebste schlecht. Natürlich war das mein Ernst. Es ist der erste Tag unseres Wanderurlaubs in den Zillertaler Alpen.
Am ersten Tag wollten wir es langsam angehen lassen. Daher hatten wir uns eine leichte Tour ausgesucht, den “Flurnamenweg Zillertal”.
Mehr einer Eingebung folgend, fragte ich im Vorbeigehen an der Rezeption, was mir die Dame über den Bus für die Rückfahrt von der 15 Kilometer-Strecke sagen konnte. “Das ist ganz einfach. Der Bus verkehrt regelmäßig. Aber Sie können da nicht langgehen. Ein wichtiges Teilstück ist gesperrt. Da kommen Sie nicht vorbei!”
Na, das fing ja gut an! Schnell entschieden Amanda und ich uns um. Dann sollte es eben eine ebenfalls leichte Strecke vom Ramsberg nach Brandberg sein. Der Start der Tour liegt in Ramsau und wir beschlossen von Mayrhofen dorthin zu laufen. Die Dame an der Rezeption beschrieb uns den Weg. Jetzt konnte nichts mehr schief gehen!
Nach kurzer Zeit fing es an, leicht zu regnen. Aber nach unseren Erfahrungen im Berner Oberland sind wir gut ausgerüstet. Amanda hat eine Regenjacke aus einem Material, mit dem ich vielleicht meine Butterbrote verpacken würde. Aber der Hightech-Kunststoff hielt, was der Preis verspricht. Von außen wurde sie nicht nass. Ich trug eine knallrote Jacke von Vaude ohne Futter, die mich sowohl vor Wind als auch Regen schützen sollte.
Vom Regen abgesehen, war die Zillerpromenade entlang des gleichnamigen Flüsschens einfach zu finden und wir waren guter Laune. Irgendwann zeigte der Wegweiser nach Ramsau und wir folgten dem neuen Weg., Der schien nicht so recht zu wissen, ob er den Berg hinauf sollte oder im Tal verlaufen wollte. So ging es aus aufwärts und abwärts. Bis wir schließlich selbst die Entscheidung treffen sollten. Ein Weg führte im Tal nach Ramsau und einer den Hügel hinauf.
“Wo sollen wir entlang gehen?” Amanda wusste es natürlich auch nicht. Wegen des inzwischen ausdauernden Regens wollten wir weder Karten noch GPS-Handy zu Rate ziehen. Hightechfaser schützen eben nicht vor falschen Entscheidungen. Der Weg in die Höhe versprach die bessere Aussicht. Also gingen wir bergwärts. Später erfuhren wir den Namen der Straße: “Schweineberg”.
Die Amerikaner verloren einen Krieg in der Schweinebucht. Uns ging es ähnlich. Nur verloren wir unseren Weg auf dem Schweineberg. “Ramsau” war zwar mannigfaltig ausgeschildert, aber dieser Weg würde uns wohl nie zum Ramsberglift führen.
Lifte haben einen enormen Nutzen. Sie bringen Dich in luftige Höhen, von denen Du Deine Abenteuer mit frischen Kräften starten kannst. Wir dagegen irrten offensichtlich am falschen Hang herum.
Eine knappe Stunde später führte der Weg wieder abwärts nach Ramsau. Amanda war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gut auf improvisierte Wandertouren zu sprechen. Sie gestand mir zwar zu, dass wir den Weg ja nicht hatten vorbereiten können. Aber das Ergebnis war nun einmal nicht das, was wir uns für einen ersten Tag gewünscht hätten. Dabei wusste Sie doch noch gar nicht, was kommen würde!
Plötzlich gab es einen neuen Wegweiser “Kotahorn 3 h”. Die Kotahornalm kannten wir von unseren Wanderführer. Dort hätten wir nach der Liftfahrt als erstes hingemusst.
Was denkst Du, habe ich Amanda vorgeschlagen? Die Antwort kennst Du bereits. Ja, ich wollte den Fußweg hinaufnehmen. In meinem Hinterkopf dachte ich mir: So sparen wir uns den Lift. Just in dem Moment bemerkte meine Liebste: “Na, freust Du Dich, dass Du Dir das Liftgeld sparst?” Erwischt!
Der Weg zu Alm war lang. Bald wurde aus dem Dauerregen ein Wasserfall. Doch die Kleidung hielt.
Was vielleicht auch daran lag, dass wir uns für eine Viertelstunde unter dichtes Blattwerk gestellt hatten. Irgendwann hatte der Himmel ein einsehen und es hörte so plötzlich auf, als hätte jemand den Wasserhahn zugedreht. Wir wanderten durch einen verwunschen Wald, der durch Licht und Nebel wie aus einer anderen Welt wirkte.
Schließlich riss der Himmel sogar auf und wir schwitzten im eigenen Saft. Der Weg war an manchen Stellen kriminell glatt. Das letzte Stück halfen Amanda und ich uns gegenseitig. Der Weg führte in engen steilen Serpentinen nach oben und Mountainbiker hatten jede Baumwurzel freigelegt und seifenglatt geschliffen.
Oben angekommen, waren wir am Ende unserer Kräfte. Nach Brandberg wollte nicht einmal ich mehr gehen. Der Almwirt der 400 Jahre alten Kotahornalmhütte staunte nicht schlecht, als er erfuhr, welchen Weg wir hochgekommen waren.
Oben war es kalt und so durchgeschwitzt wie wir waren, stärkten wir uns kurz und stiegen dann zum Ramsberglift ab. Ich bin kein Fan von Sesselliften, wenn sie talwärts fahren. Aber es war mir fast egal.
Unser erster Tag hat uns gleich an den Rand der Erschöpfung gebracht. Am Abend konnte ich kaum gerade am Tisch sitzen.
Ja, es war mein Ernst gewesen. Nachträglich gesehen, muss man solche Touren nicht bei strömenden Regen machen. Mag sein, dass Hightechfasern Dich warm und trocken halten. Aber es ist trotzdem kein Vergnügen.