Wild und krumm verfranzt

Blick vom Isskogel

Zwei Wanderer gehen durch die Krummbachtalschlucht. Die Kakaphonie der tosenden Fluten des Krummbachs begleitet sie schon eine ganze Weile. Der grasbewachsene Weg hat sich so voll Wasser gesogen, dass sich jeder Schritt anfühlt, als gingen sie auf einem Trampolin. Nach einiger Zeit sehen sie einen Steg, der auf die andere Seite führt.

Doch während sie das Wildwasser überqueren, entfährt es dem jungen Mann: “was zum Teufel …!” Seine Begleiterin schaut ihn fragend an. Da zeigt er auf die andere Seite der Schlucht. An dem grasbewachsenen Steilhang turnen hoch oben zwei Wanderer zwischen den Findlingen umher.

“Wie sind die denn dorthin gekommen?” Die Frage musste erst einmal unbeantwortet bleiben. Denn ganz offensichtlich waren die beiden Kletterer nicht ganz in ihrem Element. Sie setzten sich schließlich auf den Hosenboden und rutschten so Meter für Meter den Hang hinunter.

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Wadenbrenner Ahorn

Kai's Zillertalphotos 003Der Ahorn ist einer der Hausberge von Mayrhofen. Wir sehen diesen Berg jeden Tag und er ragt steil nach oben. Gleich am Anfang haben Amanda und ich uns angesehen und erst einmal davon Abstand genommen, diese schroffen Hänge nach oben steigen zu wollen. Doch jetzt ein paar Tage später sieht die Welt ganz anders aus.

Auch wenn wir gerne Wandern, erreichen wir ebenso gerne unser Ziel. Seit unserer Rastkogeltour ist aber der Wurm drin. Unser Wanderführer schreibt über den Ahorn, dass es vor allen Dingen eine Frage der Kondition ist, ihn zu besteigen. Aus unserer Kaffeefahrt mit der Bergbahn wissen wir, die Strecke sieht gut aus und kein Schnee und kein Steinschlag wird uns aufhalten. Das klingt gut.

Die Sache mit der Kondition werden wir einen Test unterziehen.

Flurnamenweg 006Eben jene Kondition sollte am bisher heißesten Tag des Jahres auf einen schweren Prüfstand gestellt werden. Morgens um 9:00 Uhr war es noch einigermaßen erträglich, aber je höher wir kamen, je dünner die Luft wurde und desto heißer es wurde, desto mehr fühlten wir uns geprüft. In der ersten Stunde hatte ich das Gefühl, als würden ständig meine Waden überstreckt. Später hat sich mein Körper daran gewöhnt und ich spüre nur noch die Anstrengung, ständig scharf bergauf zu steigen. Aber was soll’s? Unser Ziel wird uns entschädigen.

Kai's Zillertalphotos 005Als Wanderer lassen wir uns gerne von der Bergbahn in luftige Höhen tragen, um von dort aus noch höher gelegene Ziele zu erreichen. So fängt die Tour gleich mit einem “Knall” an. Aber der Aufstieg vom Tal hat seinen besonderen Reiz. Denn die Vegetation verändert sich mit den verschiedenen Höhenlagen und beim Aufstieg erlebst Du es hautnah mit.

Auch die Aussicht ist anders. Du weißt sie anders zu schätzen. Jeder Höhenmeter ist Deine Leistung. Es ist, als würde man ständig für seine Mühen belohnt.

Mit anderen Worten: Auch wenn wir bei diesem Aufstieg viele Kräfte ließen und der Schweiß uns in Strömen herunterlief, war all das nichts im Vergleich zu diesem tollen Erlebnis.

Oben an der Gipfelstation gönnten wir uns einen leckeren Salat und Tiroler Joghurt mit Früchten, lecker!

Kai's Zillertalphotos 006Ich bin hin und her gerissen, ob ich diese Tour empfehlen soll. Es ist wohl Geschmackssache. Generell bietet der Aufstieg viele schöne Ansichten für die Kamera. Doch wer hat ein Auge dafür, wenn Deine Waden ständig vor sich hin maulen? Wenn Du Dich selbst überwinden willst, dann ist der Ahornaufstieg genau richtig für Dich.

Die Wandertipps unseres Hotels raten dazu, diese Tour in die umgekehrte Richtung von der Seilbahnstation zu laufen. Das mag weniger anstrengend sein, aber bei dieser Steigung ständig bergab? Da legen am Ende die Knie und Fußsohlen einen Zillertaler Jodler hin.

Kai's Zillertalphotos 051Beim Aufstieg kamen uns einige Wanderer entgegen. Ein bisschen haben wir sie beneidet, wie sie uns frisch duftend ohne einen Tropfen Schweiß auf der Stirn passierten. Manche hatten noch nicht einmal richtige Wanderschuhe an. Aber jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, spüre ich nur den Stolz, es von 633 Höhenmeter auf knapp 2.000 Meter geschafft zu haben. Frischer Geruch wird vielleicht überschätzt.

Mit einem Paar aus (vielleicht) Thüringen kamen wir näher ins Gespräch. “Es ist schon noch ein Stück nach oben”, meinte er mit einem Salz und Pfeffer-Vollbart. “Wir sind schon gut eine Dreiviertelstunde unterwegs. Raufzu’s brauchen Sie bestimmt das Doppelte!” Das klang zwar nicht ermutigend, trotzdem meinte ich, “jetzt sind wir schon so hoch gestiegen, den Rest schaffen wir auch noch.” “Was? Von dort unten aus dem Tal sind Sie hochgestiegen? Sie haben meinen vollen Respekt!” Ach, es ist doch schön, wenn auch andere Deine Leistung zu schätzen wissen.

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Zu dem Zeitpunkt konnten wir es noch nicht wissen, aber wir würden den beiden Thüringern noch einmal begegnen.

Der Zustand meiner Handrücken ist in ein neues Stadium getreten. Den ersten Teil des Ahorn-Aufstiegs trug ich keine Handschuhe, weil ich mich im Schatten des Waldes sicher wähnte. Später in der Sonne schlüpfte ich diszipliniert in sie hinein. Doch als ich sie in der Bergstation auszog, erlebte ich eine unangenehme Überraschung. Die Haut hatte große Blasen gebildet. Aus ästhetischen Gründen zeige ich keine Fotos davon. Denn meine Handrücken sehen aus, wie der Hintern einer Kröte.

Flurnamenweg 040Seit Jahren haben wir beim Wandern immer ein Medikit dabei. Dieses Mal konnte ich es zum ersten Mal richtig einsetzen. Damit die übrigen Gäste im Restaurant ob meines Anblicks ihr Essen nicht gleich wieder auf dem Tisch hatten, bandagierte ich meine Hände, nachdem ich etwas kühlendes Gel auftragen hatte.

Keine Sorge! Während ich diese Zeilen schreibe, geht es meinen beiden Krötenhintern schon viel besser. Irgendwie fangen sie an, mir so zu gefallen, wie sie jetzt sind. Ist doch mal was anderes. Quoook!

Ramsauwetter

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“Das kann doch nicht Dein Ernst sein!” Da kannte mich meine Liebste schlecht. Natürlich war das mein Ernst. Es ist der erste Tag unseres Wanderurlaubs in den Zillertaler Alpen.

Am ersten Tag wollten wir es langsam angehen lassen. Daher hatten wir uns eine leichte Tour ausgesucht, den “Flurnamenweg Zillertal”.

Mehr einer Eingebung folgend, fragte ich im Vorbeigehen an der Rezeption, was mir die Dame über den Bus für die Rückfahrt von der 15 Kilometer-Strecke sagen konnte. “Das ist ganz einfach. Der Bus verkehrt regelmäßig. Aber Sie können da nicht langgehen. Ein wichtiges Teilstück ist gesperrt. Da kommen Sie nicht vorbei!”

Na, das fing ja gut an! Schnell entschieden Amanda und ich uns um. Dann sollte es eben eine ebenfalls leichte Strecke vom Ramsberg nach Brandberg sein. Der Start der Tour liegt in Ramsau und wir beschlossen von Mayrhofen dorthin zu laufen. Die Dame an der Rezeption beschrieb uns den Weg. Jetzt konnte nichts mehr schief gehen!

Nach kurzer Zeit fing es an, leicht zu regnen. Aber nach unseren Erfahrungen im Berner Oberland sind wir gut ausgerüstet. Amanda hat eine Regenjacke aus einem Material, mit dem ich vielleicht meine Butterbrote verpacken würde. Aber der Hightech-Kunststoff hielt, was der Preis verspricht. Von außen wurde sie nicht nass. Ich trug eine knallrote Jacke von Vaude ohne Futter, die mich sowohl vor Wind als auch Regen schützen sollte.

Vom Regen abgesehen, war die Zillerpromenade entlang des gleichnamigen Flüsschens einfach zu finden und wir waren guter Laune. Irgendwann zeigte der Wegweiser nach Ramsau und wir folgten dem neuen Weg., Der schien nicht so recht zu wissen, ob er den Berg hinauf sollte oder im Tal verlaufen wollte. So ging es aus aufwärts und abwärts. Bis wir schließlich selbst die Entscheidung treffen sollten. Ein Weg führte im Tal nach Ramsau und einer den Hügel hinauf.

“Wo sollen wir entlang gehen?” Amanda wusste es natürlich auch nicht. Wegen des inzwischen ausdauernden Regens wollten wir weder Karten noch GPS-Handy zu Rate ziehen. Hightechfaser schützen eben nicht vor falschen Entscheidungen. Der Weg in die Höhe versprach die bessere Aussicht. Also gingen wir bergwärts. Später erfuhren wir den Namen der Straße: “Schweineberg”.

Die Amerikaner verloren einen Krieg in der Schweinebucht. Uns ging es ähnlich. Nur verloren wir unseren Weg auf dem Schweineberg. “Ramsau” war zwar mannigfaltig ausgeschildert, aber dieser Weg würde uns wohl nie zum Ramsberglift führen.

Lifte haben einen enormen Nutzen. Sie bringen Dich in luftige Höhen, von denen Du Deine Abenteuer mit frischen Kräften starten kannst. Wir dagegen irrten offensichtlich am falschen Hang herum.

Eine knappe Stunde später führte der Weg wieder abwärts nach Ramsau. Amanda war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gut auf improvisierte Wandertouren zu sprechen. Sie gestand mir zwar zu, dass wir den Weg ja nicht hatten vorbereiten können. Aber das Ergebnis war nun einmal nicht das, was wir uns für einen ersten Tag gewünscht hätten. Dabei wusste Sie doch noch gar nicht, was kommen würde!

Plötzlich gab es einen neuen Wegweiser “Kotahorn 3 h”. Die Kotahornalm kannten wir von unseren Wanderführer. Dort hätten wir nach der Liftfahrt als erstes hingemusst.

Was denkst Du, habe ich Amanda vorgeschlagen? Die Antwort kennst Du bereits. Ja, ich wollte den Fußweg hinaufnehmen. In meinem Hinterkopf dachte ich mir: So sparen wir uns den Lift. Just in dem Moment bemerkte meine Liebste: “Na, freust Du Dich, dass Du Dir das Liftgeld sparst?” Erwischt!

Der Weg zu Alm war lang. Bald wurde aus dem Dauerregen ein Wasserfall. Doch die Kleidung hielt.

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Was vielleicht auch daran lag, dass wir uns für eine Viertelstunde unter dichtes Blattwerk gestellt hatten. Irgendwann hatte der Himmel ein einsehen und es hörte so plötzlich auf, als hätte jemand den Wasserhahn zugedreht. Wir wanderten durch einen verwunschen Wald, der durch Licht und Nebel wie aus einer anderen Welt wirkte.

WP_20130611_015Schließlich riss der Himmel sogar auf und wir schwitzten im eigenen Saft. Der Weg war an manchen Stellen kriminell glatt. Das letzte Stück halfen Amanda WP_20130611_026und ich uns gegenseitig. Der Weg führte in engen steilen Serpentinen nach oben und Mountainbiker hatten jede Baumwurzel freigelegt und seifenglatt geschliffen.

Oben angekommen, waren wir am Ende unserer Kräfte. Nach Brandberg wollte nicht einmal ich mehr gehen. Der Almwirt der 400 Jahre alten Kotahornalmhütte staunte nicht schlecht, als er erfuhr, welchen Weg wir hochgekommen waren.

Oben war es kalt und so durchgeschwitzt wie wir waren, stärkten wir uns kurz und stiegen dann zum Ramsberglift ab. Ich bin kein Fan von Sesselliften, wenn sie talwärts fahren. Aber es war mir fast egal.

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Unser erster Tag hat uns gleich an den Rand der Erschöpfung gebracht. Am Abend konnte ich kaum gerade am Tisch sitzen.

Ja, es war mein Ernst gewesen. Nachträglich gesehen, muss man solche Touren nicht bei strömenden Regen machen. Mag sein, dass Hightechfasern Dich warm und trocken halten. Aber es ist trotzdem kein Vergnügen.